Ist das hier eine Form von Therapie? Oder pure Selbstdarstellung? Mache ich das alles für mich oder eher für andere? Warum schreibe ich so viel über eine Krankheit, obwohl ich weder Forscherin noch Ärztin bin und eigentlich niemandem helfen kann? Solche Gedanken mache ich mir immer wieder. Fragen wie diese lassen mich zweifeln. An mir und meiner Tätigkeit. Aber ich wurde daran erinnert, wofür das Ganze gut ist. Damit meine ich das, was über hilfreiche Aufklärung und konkrete Alltagstipps hinaus geht. Das, was oft sehr privat ist und absolut subjektiv von mir dargestellt wird. Ich mache das nicht für mich ODER für andere. Ich mache das für uns.
Worum geht es beim Bloggen für mich?
Als es vor ein paar Tagen von morgens bis abends geregnet hat, ich mal wieder mein gesamtes Leben hinterfragte und dabei im Bingewatching-Sumpf auf verschienen Streamingplattformen versank, landete ich bei einer Doku über Orthopädie-Technik. Es ging vor allem um ein junges Mädchen, das bei einem Unfall ein Bein verlor und lange keine Prothese tragen wollte – bis sie im Internet eine Mitzwanzigerin sah, die ebenfalls seit ihrer Kindheit mit nur einem Bein lebte und auch erst spät eine gute Prothese bekam, nun aber sehr glücklich damit war. 30 Minuten Erzählzeit später trafen die beiden aufeinander und die Emotionen, die dabei über den Bildschirm transportiert wurden, erinnerten mich auf einmal an meine „Rolle“ in dieser Diabetes-Welt. Dieser Moment erweckte eine neue alte Motivation in mir, die ich ein bisschen aus den Augen verloren hatte.
Menschen mit Diabetes brauchen Menschen mit Diabetes! Dabei muss es weder um eine enge Freundschaft, über die ich auch schon öfter erzählt habe, noch um eine medizinische Verbindung gehen. Wichtig ist vor allem die Sichtbarkeit und die Präsenz – das alleine hilft oft schon.
So sieht das wahre Leben mit Diabetes aus!
Es hilft uns untereinander, um in gewisser Weise aus den Erfahrungen anderer lernen zu können. Aber es hilft auch dabei, Worte für etwas zu finden, von dem man bisher nicht wusste, wie man es ausdrücken sollte. Und dann hilft es auch auf einer ganz anderen Ebene: Es zeigt das wahre Leben mit Diabetes auf – auch für diejenigen, die diese Erkankung nur verzerrt dargestellt aus den Medien kennen.
So saß ich vor dem Fernseher und war geschockt, als es im Beitrag hieß, dass es nun daran sei zu hoffen, dass die Krankenkasse diese moderne Prothese bezahlen wird. Für mich war es – naiverweise – selbstversändlich, dass so etwas allen zur Verfügung steht, die es brauchen. Dann fand ich auch in der Situation die Parralele zum Leben mit Diabetes. Für die Außenstehenden gibt es meistens ein paar gefühlte Fakten rund um Diabetes, die beinhalten, dass man heute ja gut mit Diabetes leben kann, man sich im Zweifel nur mal mehr bewegen muss und dass – wenn man das nicht hinbekommt – zur Not neuartige Technik eh alles übernimmt. Das sind alles Dinge, die eben nur bedingt wahr sind. Also muss jemand den Teil erzählen, mit dem sie sonst nicht in Berührung kommen.
Menschen mit Diabetes müssen für ihre optimale Versorgung kämpfen – ebenso wie gegen Vorurteile der immer alles besserwissenden Gesellschaft.
Der Blick über meinen eigenen „Krankheits-Tellerrand“ hat mir gezeigt, dass wir alle eine wichtige Rolle bei der Diabetes-Aufklärung spielen, denn es muss über so viele verschiedene Facetten gesprochen werden. Und dieses emotionale Auf und Ab, der Wunsch nach Perfektion verbunden mit wankelmütiger Disziplin und der Drang danach, mit all diesen Geschichten irgendwem helfen zu können, das ist meine Facette in dieser Diabetes-Welt. Seid ihr euch bewusst, wie wichtig eure Facette ist?
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Übrigens: Die meisten aktuellen Texte findet ihr zurzeit immer bei DiaExpert und in der Blood Sugar Lounge. Folgt mir am besten bei Instagram (@nervenauszuckerwatte.de), um neue Veröffentlichungen mitzubekommen!