Manchmal auch schon am Abend. Hin und wieder zwischendurch. Einfach so, mittem im Leben, stolpert das Herz und stockt der Atem. Und das macht Angst. Vorm Leben und vorm Sterben.
Keine Ahnung. Ich habe wirklich keine Ahnung. Es müsste heißen: „Keine Ahnung, …“ Es müsste heißen: „Keine Ahnung (KOMMA) (IRGENDWAS).“ Aber hinter der Unwissenheit kommt erst einmal nichts und dann die Angst. Natürlich macht das Ungewisse Angst. Das ist sicher bei den meisten so. Bestimmt ist das auch gut so, wegen dieser Funktion als Schutzmechanismus und damit man keinem Krokodil einfach so den eigenen Kopf ins Maul steckt. Aber was, wenn mein Kopf weit von dem Maul eines Krokodils entfernt ist und sich trotzdem unbehaglich fühlt? Ist das beißende Krokodil in meinem Kopf? Isst es meinen Mut zur Vor- und meine Zuversicht zur Hauptspeise und erwartet zum Nachtisch meine Kraft mit Wunderkerzen, die mit dem letzten Funken meiner Hoffnung entzündet wurden?
Soll sich das Vieh mal nicht das Maul verbrennen.
Es ist so weniges vorhersehbar. Weder die Zeit, die ich noch zu leben habe, noch das, was danach kommt. Und da ist wieder das Ungewisse. Gemeinsam mit der Angst. Ab und zu ist das nicht so präsent. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass das daran liegt, dass ich es wirklich mal schaffe, im Jetzt zu sein. Gefühlt denke ich ständig an gestern oder morgen, und so wenig an heute.
Obwohl ich heute doch lebe.
Während die Katze um meinen Schreibtisch herum tigert, fürchte ich den Moment, in dem sie nicht mehr da sein wird. Obwohl sie noch so jung und gesund ist, denke ich dauernd darüber nach. Vielleicht hängt das alles mit dem Tod meines Pferdes zusammen. Vielleicht damit, dass mir das Thema immer noch Tränen in die Augen treibt und macht, dass ich kurz gar nicht und dann sehr tief Luft hole. Die fünf Phasen der Trauer, wisst ihr? Ich denke, ich bin in Phase vier: Die Depression.
Nicht als das Krankheitsbild in diesem Moment. Sondern als Teil der Verarbeitung dieses Verlusts.
Meine Grundangst ist im Moment so groß. Größer als in all den letzten Monaten. Ob es so was wie Zukunftsangst ist, frage ich mich selbst. Ob das berechtigt wäre, beantworte ich mir im selben Moment mit der gleichen Antwort: Ja. Nur ob mir das hilft, diskutiere ich mit mir an anderer Stelle.
Dieses ständige Nachdenken über mich und mein Leben und das Leben der anderen und überhaupt über die anderen und dann wieder über mich. Das alles im Vergleich. Deren zwanzigstes Kapitel mit meinem sechsten. Ihr erster Zusammenbruch mit meinem x-ten.
Das Nachdenken darüber lähmt mich. Sowieso bringt Denken mich immer öfter dazu, zu schweigen. Alles, was ich sonst jedem noch zwischen Erdnussbutter und Marmelade aufs Brot schmieren musste, bleibt geschmacklos zerdacht. Dabei habe ich Sachen zu sagen. Aber dann habe ich wieder Angst.
Es ist jetzt auch alles gar nicht so dramatisch, so meine ich das gar nicht. Aber wenn ich darüber nachdenke, wie ich es meine, höre ich auf zu tippen, höre ich auf zu atmen, höre ich auf zu blinzeln, höre ich auf, Mut zu haben.
Mut. Ich habe lange gebraucht, um herauszufinden, was meine Art von Mutigsein ist. Und ich habe dabei festgestellt, dass ich ein mutiger Mensch bin. Nur anders mutig als andere. Anders als andere.
Tatsächlich spuckt mein Gehirn sämtliche Wandtattoo- und Postkarten-Phrasen aus, die es jemals aufgeschnappt hat, wenn ich versuche mir klarzumachen, dass ich vom Denken alleine nicht weiterkomme. Natürlich ist mir das auch bewusst. Ich stehe dabei auch nicht still. Ich tue so viel mehr, als ich vor einem Jahr in der gleichen Situation noch getan hätte. Das ist ein großer Schritt. Ein Fortschritt. Und genau wie ich selbst, steht auch die Zeit nicht still. Und macht, dass alles weiter- und irgendwann vergeht.
Ich habe mein Leben in der Hand. Und weil ich zwei Hände habe, kann ich in der anderen dabei gut ein Eis halten. Viel mehr will ich ja eigentlich gar nicht. Ich muss nur weiter gehen. Aber im Moment tue ich das eben mit Angst.