Fluchtwege bitte freihalten

Ich liebe Notausgänge. Leider verwechsel ich sie allzu gerne mit stinknormalen Türen und renne da raus und alles hat Notausgangs-Konsequenzen, obwohl gar keine Not bestand. Ich bin nur immer so glücklich, rauszukönnen. Weg zu können. Zu Flüchten. Vor etwas davon zu laufen ist mein Kick im Alltag. Hätte ich mir auch was cooleres ausdenken können.
Es geht gar nicht grundsätzlich um den “echten” Notausgang in irgendeinem Gebäude. Es geht mehr so um diese Notausgangs-Momente. In letzter Minute einen Termin abzusagen beispielsweise. Und gerade bin ich in so einer Situation. Morgen stünde das erste MRT nach dem Schub an. An sich habe ich kein Problem mit der “Röhre”, also nicht, dass ich Platzangst bekomme oder so. Es ist nur so… noch könnte ich es absagen. Und irgendwie wäre das schöner. Habe gerade so ein dolles “zu viel-Gefühl”. Obwohl es nicht SO viel und damit ZU viel ist. Gestern ist mein Auto kaputt gegangen (Moment, war nicht mein letzter Post diese kleine Liebeserklärung an ihn? Nun.), morgen hätte ich meinen wöchentlichen Therapie-Termin, der ohne Auto aber wahrscheinlich ins Wasser fällt, und nachmittags ist das MRT. Zu dem mich mein Vater fahren soll, was auch schon ein Thema für sich ist und dann bin ich in einer Praxis, die ich nicht kenne, lege mich da ne Stunde hin und werde wieder abgeholt. Das ist auch schon wieder so unschön an sich. Weil ich nicht wegkomme, wenn ich nach 20 Minuten weg will, sondern dass der Abholer dann kommt, wenn der Termin offiziell durch ist. Lustiger Weise habe ich sogar beim Schreiben den Gedanken: “Nee, das ist echt ganz schön viel, das geht so nicht.” So klappt das mit der Selbstmotivation nicht, Katharina. Ich habe bei sowas Probleme, zu unterscheiden, ob ich nur nicht aus meiner Komfortzone rausrobben mag oder ob es ein angemessenes auf sich selbst achten ist. Das nervt mich gerade. Ist das Gefühl ein anderes, wenn ich den Termin verschiebe?
Mein Ding mit der Notausgangs-Liebe hat vor 10 Jahren angefangen. Da war ich in einer Sitatuation, aus der ich nicht rauskam, obwohl ich wirklich wollte. Vielleicht ist es nicht einmal überspitzt, wenn ich sage, ich war eingesperrt. Aber darum geht es nicht. Fakt ist nur, seitdem habe ich eine Sperre, wenn ich Dinge machen muss und da nicht rauskomme. Erst dachte ich in geschlossenen Räumen: “Es geht ja nicht, dass ich jetzt einfach rausgehe” und wurde mega panisch, dann schlug es um in ein: “Ich gehe jetzt”, und zwar ständig, ohne Begründung, warum ich gehen sollte. Auch ohne wirklich nachzudenken. Aber die Gegebenheit, dass ich gehen könnte, musste genutzt werden. Und genauso war es mit Terminen. Ich hatte Termine und habe sie immer wahrgenommen, meistens dann heulend, wenn es mir zu viel war. Und dann kam ich in das Alter, wo ich das selbst entscheiden konnte. Wann ich welche Termine mache und so. Besonders, seitdem man Arzttermin auch noch per Mail absagen kann, ist das einfach absolut meine Leidenschaft. Auch dann, wenn ich den Termin einhalten könnte, ist es so schön, abzusagen. Oder dann, wenn es total angenehm in dem Raum war, wo ich mich befand und ich trotzdem gehe, ist das ganz, ganz schön für mich. Irgendwie ist das in meinem verdrehten Kopf eine Form von Selbstbestimmung, die ich habe. Ich kann so vieles nicht beeinflussen, was mir teilweise echt Angst macht. Ich kann nicht absagen, dass ich chronisch krank bin. Ich kann nicht absagen, dass ich was tun muss, um in der Familienversicherung zu bleiben. Ich kann nicht absagen, dass ich irgendwann sterbe. Das ist kacke genug. (Und ich kann nicht absagen, dass mit ein riesiger Pickel neben der Augenbraue wächst.)
Und dann dieser Unterschied zwischen Angst und Furcht, den ich grade erst gelernt habe. Ich denke, ich habe viel öfter Furcht, als es mir zugestanden wird. Für mich ist es Furcht und andere denken, es sei “nur” Angst. Außerdem hat das gerade absolut nichts mit meiner Sache hier zu tun, weil ich einfach nicht will. Und das ist doch eigentlich in Ordnung, etwas nicht zu wollen, oder? Aber es verbaut mir auch Möglichkeiten. Denn so oft kann ich etwas nicht machen, weil meine physische Gesundheit das nicht mitmacht, dann streikt meine Psyche und dann wäre alles okay und ich komme mit “Ich will nicht”. Andererseits entscheide schließlich ich über mein Leben. Das vergesse ich auch oft genug.

Wirklich weiter bin ich mit meiner Entscheidung jetzt auch nicht.
Hmpf.

Nachtrag:
Mein Auto war nur pseudo-kaputt (der Hypochonder) und ich habe das MRT abgesagt. Mir dünkt nun nach Fanta-Eierlikör. Ich habe keine Fanta.
Hmpf. 

2 Kommentare zu “Fluchtwege bitte freihalten”

  1. Ich kann dich da wirklich gut verstehen!
    Bei mir passiert das nicht mehr oft, aber auch ich habe diese Momente, wo ich mir denke: Ich muss ja nicht hingehen. Kann auch einfach absagen, weil es viel schöner wäre, nicht hinzugehen und sich der Angst (oder Furcht) oder einfach dem Unangenehmen nicht stellen zu müssen.
    Meistens kann ich den inneren Schweinehund doch besiegen, aber es fällt mir auch immer schwer!
    Und im Endeffekt denke ich mir danach, dass ich ja wusste, dass es kacke werden würde – aber immerhin hab ich es versucht.

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