Du bist, wie du misst (Teil 2)

Ich bin ein CGM auf zwei Beinen. Wenn ich pro Monat mehr als 600 Teststreifen zur Verfügung hätte, würde ich mir auch minütlich neue Werte aufs Blutzuckermessgerät zaubern. Auch wenn die Verordnungsobergrenze für Teststreifen bei insulinpflichtigem Diabetes offziell nicht besteht, bekomme ich derzeit nur 600 Teststreifen pro Quartal verschrieben. Danach bekomme ich nur noch Privatrezepte. Dazu ist es zum Glück erst einmal gekommen, denn rund 30€ für eine Packung auszugeben, ist schon hart, wenn man kein (eigenes) Einkommen hat. Ich finde 6 bzw. 7 Teststreifen pro Tag nicht übermäßig viel. Eine Kontrolle zum Frühstück, eine vorm Reiten bzw. vor der Fahrt dorthin, eine zum Mittag, eine vor der Fahrt zur Schule, eine in der Schule, eine nach der Schule Zuhause. Und wenn dann noch eine Hypo, eine Hyper oder ein anderes Missempfinden zwischendurch auftritt, ist auch die Nummer 7 verbraucht. Ich messe nicht aus Angst, weil ich keinerlei Gefühl für meine Werte habe. Ich weiß nur gerne, was Sache ist. Ich finde Blutzuckermessen nicht schlimm, trotzdem ist es unangenehmer als das Spritzen mit dem Pen. Also ist es durchaus das, für das ich mir am ehesten eine Alternative wünschen würde. CGM oder FGM ist sicherlich der Wunsch der meisten von uns. Aufgrund nicht vorhandener Erfahrungn kann ich da allerdings nichts weiter zu sagen.
Dinge, die man beim Messen falsch machen kann, habe ich wahrscheinlich alle durch. Zu oft den Lieblingsfinger angepikst, zu mittig in der Fingerbeere gestochen, das Blut auf Teufel komm raus raus gequetscht. Und sehr lange habe ich mich nicht getraut, in den kleinen Finger zu stechen – der arme kleine, man! Ein richtiges Schema oder eine Reihenfolge, wann ich wo messe, habe ich nicht, aber ich bekomme es meistens hin, es nirgends zu überreizen. Die Lanzette wechsele ich jeden Morgen. Natüüürlich nehme ich mir immer vor, es öfter zu machen, aber… nun ja. Die angenehmste Stechtiefe ist für jeden anders, ich habe allerdings festgestellt, dass die Blutgewinnung deutlich unkomplizierter klappt, seitdem ich mich getraut habe, sie eine Stufe tiefer einzustellen.
Der Messvorgang verläuft immer gleich: Finger am Tuch abwischen, stechen, ersten Blutstropfen abwischen, den nächsten Tropfen an den Teststreifen halten, die kleine Wunde einen Moment ans Tuch drücken, Teststreifen entfernen und damit Spuren legen – was sonst. Da ich Zuhause meistens auf dem Sofa messe, habe ich mir dort mal ein extra Gefäß für benutzte Sensoren hingestellt. Der wurde sogar halb voll, aber dann ging das rumschludern wieder los. Ich benutze zum Blutabwischen meistens Taschentücher, dort stecke ich die Benutzen manchmal in dieses kleine “Täschchen” beim gefalteten Taschentuch. Aber irgendwann fliegen sie da auch wieder raus. Wenn man mich kennt, bleibt man von dem Kontakt mit den alten Teststreifen nicht verschont – bitte, gern geschehen. Teststreifen überall auf dem Fußboden ist ja normal, unangenehm wird es, wenn ich welche in den Socken oder im Gesicht kleben habe. Neben meinem Auto liegen auch öfter welche. Und ich lasse sie liegen! Da ich ein sehr soziales Herz habe, stelle ich mir immer vor, dass ein anderer Typ 1er einen findet und sich freut. Ich würde mich freuen, habe aber noch nie einen gefunden. Das ist doch doof. Geht in die Welt und verteilt eure Teststreifen, Freunde.
Zum Glück hatte ich bisher nur eine wirklich doofe verfälschte Messung. Das war auch noch relativ am Anfang. Ich muss irgendwas am Finger gehabt haben, bekam einen 400er Wert angezeigt (das erste Mal) und war völlig aufgelöst. Habe sofort Korrektur gespritzt und dann nochmal gemessen und war im 100er-Bereich. Daraufhin gab es den größten Betthupferl, den die Welt bis dato gesehen hat.
Etwas, das mir unangenehmer Weise regelmäßig passiert, ist, dass ich nicht merke, dass mein Finger noch blutet und ich das Blut irgendwo hin schmiere. Solange ich es bin, die ich damit anmale, ist das ja okay. Aber neulich habe ich auf einer Speisekarte rumgeschmiert. Zum Glück war die einlaminiert, noch nie erschien mir ein Laminiergerät als so großartige Erfindung.
Ich glaube, in einer Phase, in der ich zu wenig gemessen habe, war ich nie. Allerdings bin ich dokumentier-faul geworden. Bis vor zwei Jahren habe ich ein Papier-Tagebuch geführt. Da gab es zwar auch mal Lücken, aber die waren nicht dramatisch und nie so groß, dass ich es nicht nachtragen konnte. (Drei Monate sind ja easy in ein paar Stunden aufgeschrieben…) Dann fand die erste Tagebuch-App den Weg zu mir (Diabetes Connect). Da war der Reiz ganz klar wieder die Abwechslung und ich habe eingetragen wie eine Irre. Dann wurde es luschiger, ich habe mir Pausen gegönnt und seit der MS-Diagnose kriege ich den Arsch dafür nicht mehr hoch. Im Dezember habe ich mir die My-Sugr-App runtergeladen und hatte die Hoffnung, dadurch neue Motivation zu haben – hat nicht ganz geklappt. Ich habe hier noch ein leeres Papier-Buch liegen, vielleicht versuche ich es damit noch einmal.

P.S.: Ich habe heute tatsächlich einen Wert eingetragen. Attenzione: 454 mg/dl! Ich erinnere mich nicht, wann ich zuletzt einen so hohen Wert hatte. Ich fürchte er war das Ergebnis eines Mixes von einer 40er Hypo, auch ein Wert, den ich lange nicht hatte, und der Tatsache, dass mein Körper nach wie vor “nicht gut drauf ist”, wie mein Arzt heute sagte.

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