Ich habe Aarhus gesehen. Ich habe den Unterschied zu meiner Heimat gefühlt. Ich habe das geschmeckt, wonach mir war – wie Tine, die mit mir unterwegs war, sagen würde: I can eat everything! Ich habe die Menschen um mich herum Dänisch sprechen gehört und ich habe das Meer gerochen. Ich habe das erste Mal den Tagesablauf von einer anderen Typ 1erin mitbekommen, was spanndend war. Auch, wenn die Zeit dort sicher nicht den Alltags-Rhythmus wiederspiegelte. Unsere Dia-Täschchen lagen gleichzeitig auf den Restaurant-Tischen und es war so normal. Es stand nie im Vordergrund, dass wir beide chronisch krank sind. Wir haben unseren Kram gemanagt und uns in passenden Momenten ausgetauscht. Und ich habe ganz nebenbei überall meine Teststreifen verloren – typisch.
Einer der Gedanken, der sich in den 48 Stunden Aarhus entwickelt hat, ist ungemein schlicht und trotzdem steckt vieles dahinter: Vielleicht gehört es einfach genauso. Alles. Und ohne “vielleicht”.
Ich weiß nicht, wie viele Monate ich rumgejammert habe, weil ich nach Dänemark wollte. Es waren einige. Das Ziel war mir sogar recht egal – hauptsache über die Grenze. Aber dass es nun Aarhus wurde, war ganz schön gut. Allein schon, wegen des ARoS. Ich habe darin gefühlt. (Gleich nachdem ich gecheckt habe, dass man dort anderen Besuchern vertraut und seine Jacke einfach am Eingang frei zugänglich aufhängt. Warum auch nicht.) Ich habe Farben gefühlt. In dem “Regenbogen” auf dem Dach und in dem “Qualm-Raum”. Ich habe festgestellt, dass mir Apricot Geborgenheit vermittelt, obwohl ich es eigentlich gar nicht so superschön finde. Aber von dem Farbton umgeben war mir wohlig.
Inzwischen ist der Aarhus-Trip drei Wochen her. Irgendwie fühlt es sich ewig weit weg an – ist aber trotzdem präsent. Das “Es gehört genauso-Gefühl”. Im Moment gehört mein Leben nicht so, dennoch weiß ich, wie es war, mit dem Gedanken umherzurennen. Zurzeit brauche ich einen Plan. Dabei meine ich nicht einmal einen für mein ganzes Leben (Hochzeit, Kinderpos abwischen und sich um den richtigen Stromanbieter kümmern? – Schön wärs. Und mit schön meine ich unvorstellbar.) Ich brauche einen Plan für den Tag. Für jeden Tag. Nicht, dass ich mich daran halte, aber immerhin denke ich daran, dass er da ist. Montag bis Sonntag. Jeden Tag daran denken, Medizin zu nehmen (warum fällt es mir bei allem so schwer, aber beim Insulin und den Antidepressiva nicht?), jeden Tag etwas gesundes essen, regelmäßig etwas (er)arbeiten, das Haus verlassen, mitmenscheninkontakttretenmichummichkümmernwiedermedinnehmenESMACHTMICHIRRE. Und deswegen mache ich es so oft nicht. Ist das Faulheit oder Antriebslosigkeit oder ist es die Depression? Oder die Angst, hinzusehen, wie mein Leben ist? Zu sehen, dass ich diejenige bin, die es gestaltet, die die Wahl hat, den Tagesablauf zu ändern. Diese Sache mit dem Leben leben. Ohne sich lebendig zu fühlen.