Mein Diabetes-Monat (Teil 1)

Die erste Novemberwoche ist rum und ich bin schon komplett desillusionier. Und das nicht erst seit heute. Meine anfängliche Motivation, all den Diabetes-Kram mal wieder gewissenhafter anzugehen, wurde von Tag zu Tag weniger. Der Grund dafür ist ziemlich eindeutig: Meine BE-Berechnung ist so sehr auf Pi mal Daumen ausgelegt, dass ich bei manchen Lebensmitteln, die ich auf Vorrat habe, gar nicht genau sagen kann, wie viel Kohlenhydrate da nun wirklich enthalten sind. Dass der Gedanke, das alles locker anzugehen, für mich nicht leicht umzusetzen wäre, war klar – lang lebe der Perfektionismus – aber ich dachte, ich bekäme es trotzdem besser hin.
Die ersten drei Tage (den 1. bis 3. November) machte ich mir Notizen über Wohlbefinden, psychische und physische Verfassung und was genau ich zu welcher Mahlzeit (und zwischendurch) gegessen hatte. Aber all das änderte nichts an meinen Blutzuckerwerten oder an meiner Stimmung im Bezug auf den Diabetes. Und schon ließ ich mein kleines Tagebuch wieder linksliegen – was so was angeht, kann ich so schrecklich undiszipliniert sein.
Das Abwiegen von selbstgemachten Speisen habe ich tatsächlich ganz gut durchgehalten. Zum Beispiel habe ich die Zutaten für mein Porridge zum Frühstück abgewogen und -gemessen und dabei festgestellt, dass mein Augenmaß da bisher immer sehr korrekt war. Ein kleiner Erfolg. Bei Brotscheiben hatte ich größere Probleme mit dem Berechnen. Ich hatte irgendwo irgendein Brot gekauft, von dem ich euch nicht mal mehr sagen kann, was für eines es war und es dann eingefroren. Nach dem Auftauen stand ich nun mit meiner Lebensmitteltabelle davor und entschied mich für „irgendwas mit Roggen oder Dinkel, ich glaube es war mit Quark, oh Körner, ja, nein, doch schon Vollkorn“ und mein Blutzucker und ich waren nach jeder Scheibe völlig durcheinander. Meine Überlegung ist nun, abgepacktes Brot aus dem Supermarkt zu kaufen, wo genaue Angaben zum Kohlenhydrat-Anteil vermerkt sind. Und die Überlegung geht noch weiter: Sollte ich versuchen, mich eine Woche lang nur von Dingen zu ernähren, von denen ich wirklich 100%ig sagen kann, wie ich sie berechne? Kein Snack unterwegs, kein selbstgemachtes Müsli, bei dem ich die Zutaten nicht abgewogen hatte usw.? Meine Bereitschaft mich mit so einer konsequenten Einschränkung zu arrangieren ist auf das Bedürfnis, mich und meinen Diabetes zu bestrafen, gestützt. Es ist also keine wirklich gute Idee, hinter der eigentlich guten Idee. Ich sollte es aus einem positiveren Gefühl heraus machen.
Wer mir auf Facebook folgt, weiß vielleicht, dass ich nach Ablauf der Pumpen-Probezeit im September erstmal nur eine weitere Probezeit bis Dezember genehmigt bekommen habe. Die Begründung dafür war, dass sich mein Dawn-Phänomen zwar etwas verbessert habe, der HbA1c hingegen nicht wirklich. Was eigentlich super unkompliziert nachzuvollziehen ist, weil ich viel weniger Hypos habe und diese eben auch nicht mehr den HbA1c runterdrücken und trotzdem hat er sich ein wenig verbessert. Der HbA1c lag bei Antragsstellung bei 7,6% und nach drei Monaten mit der Pumpe bei 7,4%. Aus meiner Sicht – und ich denke, auch aus der meiner Diabetes-Beraterin und Ärztin – ein wirklich gutes Ergebnis. Nur die Krankenkasse, die sieht das anders.
Innerlich verabschiede ich mich seitdem der Brief hier ankam Stück für Stück von Pumpine, ohne Zeit gehabt zu haben, ein Pumpen-Pro zu werden. Es gibt einen Grund, warum ich mir so sicher bin, dass ich im Dezember werde kämpfen müssen und keine einfache Zusage erhalten werde. Mein aktueller HbA1c wäre (laut Libre) bei 8%. Alles, was in meinem Kopf so ähnlich wie eine Alarmglocke fungiert, klingelt in Höllenlautstärke. Aber es ist so schwer, meinen Blutzucker im Moment irgendwie in den Griff zu bekommen, da meine Hormone so viel Durcheinander darein bringen. Ich habe vor ein paar Monaten meine Pille abgesetzt und mein Körper ist einfach noch nicht durch mit dieser Umstellung – es ist der reinste Blutzucker-Kampf. Inzwischen weiß ich zwar ungefähr, wann welche (erhöhten) Werte auf mich zu kommen, trotzdem kann ich sie derzeit nicht verhindern und nur dagegen handeln. Was mit Pumpe (und temporärer Basalrate) noch deutlich effektiver geht als wenn ich das mit dem Pen regeln müsste.
Es ist anstrengend und belastend.
In meinem Kopf spukt seit längerem der Wunsch nach Diabetes-Nudismus herum: Keinen Sensor am Arm, keinen Katheter am Bauch oder Bein, kein Diabetes-Marker am Körper. Und wenn es nur eine Nacht wäre. Aber ich möchte mich eben auch nicht mit den Konsequenzen auseinander setzen müssen. Natürlich könnte ich einfach eine Pause vom FGM machen, aber es würde bedeuten, mir wieder ständig in den Finger stechen zu müssen. Und denkt man über den Wunsch, die Pumpe abzulegen nach, könnte man meinen, es käme mir entgegen, wenn die Krankenkasse die CSII nicht weiter bezahlt. Aber auch das ist ja nicht das, was ich will. Ich will die bestmögliche Diabetes-Therapie, ich will einen gut eingestellten Diabetes. Nur, ich will eben auch eigentlich gar keinen Diabetes.
Irgendwie habe ich vergessen, wie es geht, sich mit dieser Krankheit zu arrangieren. Das alles nicht zu anstrengend zu finden und nicht zu hassen. Wenn ich lese, dass jemand sagt, er kann gut mit Diabetes leben, frage ich mich, was ich falsch mache. Es macht mir Angst, wenn ich überlege, wo ich wohl lande, wenn ich mich weiterhin innerlich von meinem Diabetes so entfremde.
Aber vielleicht halten die nächsten Wochen im Diabetes-Monat November ja doch noch etwas positives für mich bereit. Ihr werdet es auf jeden Fall hier erfahren!
Was mich heute Morgen schon etwas aufgemuntert hat, war übrigens, dass Steffi (http://pepmeup.org/) jetzt auch Freestyle Libre Sticker für das Auslesegerät in ihrem Shop hat: http://shop.pepmeup.org/products!

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