Mein Herz benimmt sich wie das einer alten Dame. Es hat die Sorge, gewisse Dinge nie mehr zu sehen. Weil es zu spät ist, weil es die Chance verpasst hat. Und das tut mein Herz in Situationen, die mein Verstand nicht nachvollziehen kann. Es geht nicht um die Angst, keinen Weltrekord mehr aufzustellen (die derzeit beliebteste Disziplin: den Fuß möglichst oft am gleichen Gegenstand zu stoßen), beruflich nicht genug zu erreichen (Entschuldigung, meine Perspektiven sind großartig… als Katzen-Sitterin, die heimlich die Mascara der Besitzerin benutzt…) oder den Zeitpunkt zu verpassen, sich im Fitnessstudio anzumelden, bevor die Winkearme eine halbe Stunde nach mir mit dem Grüßen fertig sind (ich finde, es wird nur offensichtlich, wie super entspannt alles in mir ist. Mit mir. Entspannung pur). Es geht um Konzerte. Für den Fall, dass du das liest und mich nicht gut kennst, ist es okay, nicht zu verstehen, was ich meine. Ich erkläre das. Jetzt:
Eine meiner größten Schwächen ist es, mich in Gruppen einzufinden. Mich nicht alleine zu fühlen. Mich nicht angestarrt zu fühlen. Nicht rumschreien zu können. Es nicht zu ignorieren, dass ich scheiße tanze. Gut, das waren jetzt mal wieder mehr als eine Schwäche. Kurz überlegte ich noch, ob es auch dazu gehört, dass ich anderswo größere Probleme damit habe, mein T-Shirt auszuziehen, aber… ich wäge noch ab. Konzerte sind mein Carpe-Diem-Ding, nur ohne ein Tattoo in hässlicher Schrift dazu. Ich war während meiner dollsten Phase der Sozialphobie genauso auf Konzerten wie kurz nach dem Schub, falls er dort überhaupt schon vorbei war. Ich bin direkt nach meiner Deutschprüfung zu Thees Uhlmann nach Hannover gefahren und war am Wochenende vor der Erdkundeprüfung in Berlin bei Kraftklub – inklusive Aftershowparty. Ich habe Menschen damit verärgert, dass ich mich bestimmten Sachen nicht gewachsen fühlte, aber dafür zwischen schwitzenden Menschen eingequetscht meine im Geheimfach der Tasche reingeschmuggelte Caprisonne trinke. Mein Körper macht mir den Wahnsinn dahinter manchmal klar. Mit einem “HI” des BZ-Messgerätes oder einem komplett zusammenfallendem Nervenkostüm. Das Ding ist nur, ich kann leben, wenn ich auf Konzerten bin. Man, das klingt ja herrlich pathetisch. Davon kriegt ihr noch was: Ich kann ich sein, wenn ich auf Konzerten bin. Ich kann jung sein. Und ich fühle mich so selten jung. Ich mache so wenige Dinge, die junge Menschen tun. Ich gehe nicht feiern, ich mache nichts mit mehreren Menschen, ich entziehe mich dem Geruch von Bier. Aber das gleiche ich aus, wenn ich auf einem Konzert bin. Ich habe Angst, zu viele Konzerte zu verpassen. Ich habe Angst, das, was sie mit sich bringen, nicht oft genug zu fühlen. Ich bin so gerne so unwichtig in der Menge, mit dem Wissen, dass die Menge nur dadurch entsteht, dass eben u.a. ich Teil davon bin. Ich bin lieber ein Teil von etwas, als einfach nur ich. Wenn ich nichts zu reden weiß, rede ich über Konzerte. Ich mag es, wenn Menschen es nicht verstehen, dass man 13x die Ärzte sieht und ich mag es noch mehr, wenn Menschen 13x total unspektakulär finden. (Ja, aber… Kraftklub habe ich schon 17x gesehen.) Vielleicht denke ich, mich darüber definieren zu können… irgendwie. Das Besondere, das ich an mir immer suche dadurch selbst zu inszinieren. Aber dann gibt es diese Menschen, die so viel öfter auf Konzerte gehen als ich. Die so viel mehr mit Leben gefüllt sind als ich. Die so viel mehr Teil sind. Teil vom Leben, schätze ich. Ich war zwei Mal alleine bei Auftritten. Einmal am Record Store Day bei Olli Schulz und einmal bei der Autogrammstunde zu Thees Uhlmanns zweitem Album. Und dieses Thees Uhlmann-Ding, das macht mich eh fertig. Falls ihr schon angefangen habt, mich während der letzten Zeilen cool zu finden, bin ich bereit, euch zu beruhigen. Ich habe ihm einen Brief geschrieben. Gott sei Dank, erinnere ich mich nicht an alle Einzelheiten. Aber im Großen und Ganzen habe ich mich wohl für das bedankt, was Konzerte mit mir im Allgemeinen machen und seine Musik im Speziellen. Das war zur Veröffentlichung des ersten Albums. Bestimmte Menschen ziehen mich damit heute noch auf. Einprägsam war auch der Moment beim Ärzte-Konzert 2012, einen Tag vor der 10 Jahre Grand Hotel van Cleef-Sache. Eventuell sagte Bela einen Satz, in dem der Name “Thees Uhlmann” vorkam und ganz eventuell schrie ich daraufhin: “Thees, oh mein Gott ich liebe Thees.” (Ja, mit der Coolness habe ich es echt nicht so.) Und genau heute spielte Thees mit seiner Band auf dem Kosmonautfestival. Und ich sitze über 400km entfernt davon. Und auch, wenn er im August in Hamburg auftritt, werde ich nicht da sein. Weil ich ein zu schüchterner Miniteil bin, der doch nicht als Einzelteil irgendwo hingeht. Darum sagt mein alte Damen-Herz Bescheid, dass die Zeit davon rennt. Dass ich Thees nicht oft genug sehe. Dass ich die Intergalactic Lovers nicht oft genug sehe und so bestimmt niemals Lara Chedraouis Tanzen imitieren können werde. Und den und den und den. Und wer bin ich eigentlich, jetzt, wo ich im Moment so wenig auf Konzerte gehe? Nächste Woche Beatsteaks, Berlin. Love und alles, wird superklasse. Danach noch Bosse. Und danach eventuell eine klitzekleine Depression. Weil an meiner alten Gitarre kein neues Ticket klemmt. Für nichts. Schwubs, puzzlen die anderen Teile ohne mich. Und ich soll mich jetzt definieren, irgendwie. Hey, ich bin die, die auf nem fremden Balkon sitzt, auf dem Laptop rumtippt und nen pummeligen Kater das Alleinsein verwehrt. Hey, ich bin die, die zwei Wochen nicht gebloggt hat, obwohl das ne super Sache zum Definieren wäre. Hey, ich bin die, die weder Tomte noch Thees Uhlmann & Band Sachen hören kann, weil das Herz sich so füchtet, nicht genug zu leben. Hey, ich bin die, die jetzt n Kinder Maxi-King isst, weil sie sich in ne Hypo getippt hat. Hey, ich bin die, die gerade ne Idee hat, womit sie die 5 Dinge, die man unterzuckert lieber nicht machen sollte-Liste ergänzen würde: Unterzuckert das Ende für einen Blog-Post finden. Hey, ich bin die,… tschüüüüss.