…den Traurigen die Welt erklären.” Das singt Thees Uhlmann in “Walter und Gail” – und er hat absolut recht damit.
Meine Psyche und ich, das ist allgemein doch eher kompliziert. Ich weiß nicht, wann der Anfang davon war. Von dem Punkt, an dem es kritisch wurde. Und wenn ich doch eine Ahnung habe, dann ist diese tatsächlich zu persönlich. Aber ich weiß, wann der Moment war, an dem es (zum ersten Mal) nicht mehr ging: 2010. Sicherlich war ich vorher schon depressiv und sicherlich hatte ich die schlimmsten Monate, bevor ich mir Hilfe suchte. Doch Anfang/Mitte 2010 bekam dieses Nichtklarkommen die Namen “Depression”, “Soziale Phobie” und “Anpassungsstörung”. Die Taufe fand in einer Psychiatrischen Tagesklinik statt und seitdem fängt jeder Tag mit Antidepressiva an. Zu dem Zeitpunkt, an dem ich beschloss, mich in der Tagesklinik anzumelden, sah mein Alltag so aus: Angst, Angst, Angst, Heulkrampf, Heulkrampf, Heulkrampf, Schlafen, Angst, Heulkrampf, Schlafen usw. Ich kann nicht sagen, dass ich das Haus gar nicht mehr verlassen habe. Irgendwie war das alles schon Tagesformabhängig. Ich erinnere mich, dass ich zwischendurch auf Konzerten war oder eine enge Freundin getroffen habe. Aber ich erinnere mich auch daran, bei Edeka losgeheult zu haben, weil ich die Menschen nicht ertragen habe. Ich ging davon aus, das mindestens jeder mich ansah und mich bewertete. Abwertete. Es kam vor, dass ich geweint habe, wenn es an der Tür geklingelt hat, weil ich nicht bereit für Menschen war und Angst hatte. Ich fühlte mich wie ein großer schwarzer Klotz, der den Blick auf etwas Schönes versperrte. Den darum alle als störend empfanden. Und wenn ich dann mal Kraft dafür aufbrachte, fand ich die Menschen wenigstens zurück störend. Das war diese Sache mit der Sozialen Phobie. Die hatte sich darüber entwickelt, dass ich depressiv war und einfach keinen Antrieb hatte, rauszugehen. Und ich war viel zu traurig – für alles. Scheinbar hatte ich darüber verlernt, dass der Umgang mit Mitmenschen irgendwie dazu gehört. (Wobei ich mit Menschen vorher jetzt auch nicht so super Erfahrungen gemacht habe). Ich weiß, wie ich am ersten Tag in der Tagesklinik saß und nur geweint habe. Und damit meine ich: NUR geweint habe. Mit mir war kein Gespräch möglich. In mir haben sich alle Gefühle in nur einem Empfinden ausgedrückt: In Traurigkeit. Angst = Fühlte sich an wie Traurigkeit. Überforderung = Fühlte sich an wie Traurigkeit. Wut = Fühlte sich an wie Traurigkeit. Einsamkeit = Fühlte sich an wie Traurigkeit. PMS = Fühlte sich an wie Traurigkeit. Es war alles traurig. Und ich kann es immer noch nachfühlen. Weil es mich manchmal immer noch überfällt. Und dann werde ich traurig darüber, dass es immer noch da ist. Dieses “immer noch” fühlt sich an wie Traurigkeit. Wenn ich erstmal drin bin, will ich nicht raus. Das ist kein schönes Gefühl, das zuzugeben. Aber wenn ich in einer depressiven Phase den Antrieb hätte, mich da dynamisch rauszuhebeln, wäre ich nicht depressiv. Das Problem bei mir ist, ich will dann Trost. Ich will jemanden, der genauso fühlt wie ich, mich aber tröstet und daraus holt. ABER er darf nicht genauso fühlen wie ich und stärker sein als ich – das unterstreicht ja dann mein Versagen. Hier ein Beispiel für guten Trost: “Mausi, du bist ein toller Mensch, das wird alles wieder besser.” Hier ein Beispiel für meine Reaktion: “Du lügst, ich bin gar nichts wert, das macht mich traurig. Ich bin sehr traurig.” Ein weiteres Beispiel wäre: “Hier, iss Schokolade. Habe ich dir gekauft, weil du die gerne magst.” Die Reaktion: “Ich schmecke eigentlich nichts, aber der Reiz, der beim Runterschlucken entsteht, ist ganz schön. Immerhin etwas, das ich fühle außer Traurigkeit. Aber wenn ich genau überlege… Von der Schokolade werde ich noch unansehnlicher… das ist furchtbar traurig. ALLES ist traurig. Und Reize ertrage ich auch nicht.” Seitdem ich meine Antidepressiva nehme, ist die Traurigkeit (in den meisten Fällen) anders. Sie nimmt nicht mehr alles ein, wenn sie da ist. Und wenn doch, dann nicht mehr so lange. Gerade in diesen dunklen Monaten, ist das nicht leicht, “stabil” zu bleiben. Finde ich. Meistens habe ich wirklich schlechte Phasen zwischen Oktober und April. Kommt eine depressive Phase, merke ich das schon, bevor es soweit ist, dass ich nicht mehr aufstehe. Es ist wie etwas dunkelblaues. Etwas samtiges. Etwas schweres. Etwas raum- und besitzergreifendes. Und ab und zu streift es mich und da sage ich noch: “Nö.”, und dann wickelt es sich ein bisschen um meine Beine und ich renne noch rum, denke: “Nöhöhöhö!”, aber dabei fließen dann schon die Tränen und ich stolpere immer mehr. Und dann ist Ende. Ich glaube gerade, dass es nicht gut ist, dass ich mich so wunderbar in dieses Ergebene in der Depression hineinfühlen kann. Aber das Gefühl ist voll da, das alles traurig und alles egal-Gefühl. Diese Gleichgültigkeit ist auch nicht undominant in (m)einer Depression. Ich hoffe, ich kann das Gefühl genauso gut wegschieben, wie ich es zum Schreiben hervorrufen konnte. Morgen habe ich Therapie – und ich liebe Therapie. Das klingt gestört, aber ich meine: Ich bin in Therapie, also hey. Ich möchte mein Leben lang Therapie und finde, das sollte jeder wollen und bekommen. Das erste Mal zur Therapie gegangen bin ich 2005. Dann gab es Unterbrechungen (z.B. 2008-2010, praktisch, um mich in die Depression so richtig hinein zu manövrieren) und Therapeutenwechsel. Mir helfen diese Gespräche.
Aber wenn ich in der Therapie sitze und den dunkelblauen Schleier wie eine Burka trage und die Therapeutin dann sagt: “Was meinen Sie, hilft Ihnen jetzt?”, frage ich mich, ob da jemals jemand eine effektive Idee zu hatte.
Meine Psyche und ich, das ist allgemein doch eher kompliziert. Ich weiß nicht, wann der Anfang davon war. Von dem Punkt, an dem es kritisch wurde. Und wenn ich doch eine Ahnung habe, dann ist diese tatsächlich zu persönlich. Aber ich weiß, wann der Moment war, an dem es (zum ersten Mal) nicht mehr ging: 2010. Sicherlich war ich vorher schon depressiv und sicherlich hatte ich die schlimmsten Monate, bevor ich mir Hilfe suchte. Doch Anfang/Mitte 2010 bekam dieses Nichtklarkommen die Namen “Depression”, “Soziale Phobie” und “Anpassungsstörung”. Die Taufe fand in einer Psychiatrischen Tagesklinik statt und seitdem fängt jeder Tag mit Antidepressiva an. Zu dem Zeitpunkt, an dem ich beschloss, mich in der Tagesklinik anzumelden, sah mein Alltag so aus: Angst, Angst, Angst, Heulkrampf, Heulkrampf, Heulkrampf, Schlafen, Angst, Heulkrampf, Schlafen usw. Ich kann nicht sagen, dass ich das Haus gar nicht mehr verlassen habe. Irgendwie war das alles schon Tagesformabhängig. Ich erinnere mich, dass ich zwischendurch auf Konzerten war oder eine enge Freundin getroffen habe. Aber ich erinnere mich auch daran, bei Edeka losgeheult zu haben, weil ich die Menschen nicht ertragen habe. Ich ging davon aus, das mindestens jeder mich ansah und mich bewertete. Abwertete. Es kam vor, dass ich geweint habe, wenn es an der Tür geklingelt hat, weil ich nicht bereit für Menschen war und Angst hatte. Ich fühlte mich wie ein großer schwarzer Klotz, der den Blick auf etwas Schönes versperrte. Den darum alle als störend empfanden. Und wenn ich dann mal Kraft dafür aufbrachte, fand ich die Menschen wenigstens zurück störend. Das war diese Sache mit der Sozialen Phobie. Die hatte sich darüber entwickelt, dass ich depressiv war und einfach keinen Antrieb hatte, rauszugehen. Und ich war viel zu traurig – für alles. Scheinbar hatte ich darüber verlernt, dass der Umgang mit Mitmenschen irgendwie dazu gehört. (Wobei ich mit Menschen vorher jetzt auch nicht so super Erfahrungen gemacht habe). Ich weiß, wie ich am ersten Tag in der Tagesklinik saß und nur geweint habe. Und damit meine ich: NUR geweint habe. Mit mir war kein Gespräch möglich. In mir haben sich alle Gefühle in nur einem Empfinden ausgedrückt: In Traurigkeit. Angst = Fühlte sich an wie Traurigkeit. Überforderung = Fühlte sich an wie Traurigkeit. Wut = Fühlte sich an wie Traurigkeit. Einsamkeit = Fühlte sich an wie Traurigkeit. PMS = Fühlte sich an wie Traurigkeit. Es war alles traurig. Und ich kann es immer noch nachfühlen. Weil es mich manchmal immer noch überfällt. Und dann werde ich traurig darüber, dass es immer noch da ist. Dieses “immer noch” fühlt sich an wie Traurigkeit. Wenn ich erstmal drin bin, will ich nicht raus. Das ist kein schönes Gefühl, das zuzugeben. Aber wenn ich in einer depressiven Phase den Antrieb hätte, mich da dynamisch rauszuhebeln, wäre ich nicht depressiv. Das Problem bei mir ist, ich will dann Trost. Ich will jemanden, der genauso fühlt wie ich, mich aber tröstet und daraus holt. ABER er darf nicht genauso fühlen wie ich und stärker sein als ich – das unterstreicht ja dann mein Versagen. Hier ein Beispiel für guten Trost: “Mausi, du bist ein toller Mensch, das wird alles wieder besser.” Hier ein Beispiel für meine Reaktion: “Du lügst, ich bin gar nichts wert, das macht mich traurig. Ich bin sehr traurig.” Ein weiteres Beispiel wäre: “Hier, iss Schokolade. Habe ich dir gekauft, weil du die gerne magst.” Die Reaktion: “Ich schmecke eigentlich nichts, aber der Reiz, der beim Runterschlucken entsteht, ist ganz schön. Immerhin etwas, das ich fühle außer Traurigkeit. Aber wenn ich genau überlege… Von der Schokolade werde ich noch unansehnlicher… das ist furchtbar traurig. ALLES ist traurig. Und Reize ertrage ich auch nicht.” Seitdem ich meine Antidepressiva nehme, ist die Traurigkeit (in den meisten Fällen) anders. Sie nimmt nicht mehr alles ein, wenn sie da ist. Und wenn doch, dann nicht mehr so lange. Gerade in diesen dunklen Monaten, ist das nicht leicht, “stabil” zu bleiben. Finde ich. Meistens habe ich wirklich schlechte Phasen zwischen Oktober und April. Kommt eine depressive Phase, merke ich das schon, bevor es soweit ist, dass ich nicht mehr aufstehe. Es ist wie etwas dunkelblaues. Etwas samtiges. Etwas schweres. Etwas raum- und besitzergreifendes. Und ab und zu streift es mich und da sage ich noch: “Nö.”, und dann wickelt es sich ein bisschen um meine Beine und ich renne noch rum, denke: “Nöhöhöhö!”, aber dabei fließen dann schon die Tränen und ich stolpere immer mehr. Und dann ist Ende. Ich glaube gerade, dass es nicht gut ist, dass ich mich so wunderbar in dieses Ergebene in der Depression hineinfühlen kann. Aber das Gefühl ist voll da, das alles traurig und alles egal-Gefühl. Diese Gleichgültigkeit ist auch nicht undominant in (m)einer Depression. Ich hoffe, ich kann das Gefühl genauso gut wegschieben, wie ich es zum Schreiben hervorrufen konnte. Morgen habe ich Therapie – und ich liebe Therapie. Das klingt gestört, aber ich meine: Ich bin in Therapie, also hey. Ich möchte mein Leben lang Therapie und finde, das sollte jeder wollen und bekommen. Das erste Mal zur Therapie gegangen bin ich 2005. Dann gab es Unterbrechungen (z.B. 2008-2010, praktisch, um mich in die Depression so richtig hinein zu manövrieren) und Therapeutenwechsel. Mir helfen diese Gespräche.
Aber wenn ich in der Therapie sitze und den dunkelblauen Schleier wie eine Burka trage und die Therapeutin dann sagt: “Was meinen Sie, hilft Ihnen jetzt?”, frage ich mich, ob da jemals jemand eine effektive Idee zu hatte.