Es regnet, das ist okay. Es ist Herbst und ich trage ein Herbst-Outfit. Jeggings, weil ich für normale Jeans zu fett bin, ein T-Shirt, das grau-melliert ist und eine knielange Strickjacke, die man nicht knüpfen kann. Das scheint wichtig für manche Menschen zu sein, denn an der Kasse, an der ich sie bezahlte, fragte mich die Kundin hinter mir genau das: „Kann man die knüpfen?“, meine Antwort war kompetent, äußerte sich allerdings nur als „Ääääh.“ – ich habe schlicht und einfach nicht drauf geachtet gehabt. Das wichtigste Kriterium war: Sackähnliche Form, zum lässigen Mauerblümchen dasein geeignet und warm. Um den Hals trage ich eine neue Kette, in silber. Meistens vergesse ich Schmuck zu tragen und wenn, dann besitze ich eh nur goldenen. Weil ich den lieber mag. Eigentlich. Aber diese Kette gefiel mir in silber, also hängt sie um meinen Hals. Aber was noch viel krasser ist, ist, dass ich einen Hut trage. Seit Jahren will ich einen Hut für den Herbst. Dachte aber immer, es stünde mir nicht zu, einen zu tragen. Ich sei dafür nicht gemacht, andere würden lachen, weil ich versuche gut damit auszuziehen, pipapo. Aber vor ein paar Tagen, direkt nach meiner Therapie-Sitzung, habe ich mir einfach einen Hut gekauft. Und nun finde ich ihn super. Und auch relativ super an mir. Im Prinzip wirklich sehr gut, hab nur keine Ahnung, wie genau man das ausdrückt. Unten an meinen Füßen sind über lilanen Socken weinrote Chucks gezogen. Die sind ausgelatscht und ich bin einfach zu faul, um neue zu kaufen. Das bin also ich. Und ich fahre im Regen Auto und ich mag es sehr. Wahrscheinlich würde ich es weniger mögen, wenn ich in de Stadt fahren würde und schlechtere Scheibenwischer hätte. Aber meine Scheibenwischer wischen 1a und die Strecken über die Dörfer rund um meinen Heimatort könnte ich eh mit geschlossen Augen fahren. Es ist gemütlich, dieses Geprassel. Als ich heute Mittag noch im Bett lag, dachte ich, was für ein perfekter Tag es für dollen Regen wäre. Da habe ich ihn, hallo, Regen. Ich bin auf dem Weg nach Hause, war Kaffeetrinken und Carrot Cake essen, indem leider Rosinen waren, was mir vorher nicht so bewusst war. Im Café habe ich gelesen, weil Jana ein Buch geschrieben hat. Nur deshalb habe ich gelesen. Weil sie einfach ein gutes Buch geschrieben hat, welches man liest und das Gefühl hat, stundenlang unter einem Tisch zu sitzen, über dem Decken gehängt sind, die Welt weit weg ist und man sich das Leben erzählt. Oder einfach zuhört. So wie ich gerade dem Hall der stumm gelesenen Worte in meinem Kopf zuhöre. Ich lese in letzter Zeit nicht mehr oft, weil mir immer 1000 Gedanken dazwischen kommen und ich der Sache einfach nicht folgen kann. Aber dieses Buch werde ich bald ausgelesen haben und dann mehr darüber schreiben.
Während ich über die Landstraße fahre, höre ich „Das war ich“ von Tomte. Ich sage mir sehr oft, dass ich wahrscheinlich keinen Menschen ernst nehmen kann, der nicht mindestens einmal zu diesem Lied komplett zusammen gebrochen ist. In Wahrheit weiß ich aber, dass ich es doch kann. Dennoch: Liebe an alle Zusammengebrochenen. Ich habe keinen Plan, ob Wollhüte zum nass werden gemacht sind, darum trage ich ihn nicht, als ich durch den Regen gehe. Mein Cardigan saugt in sekundenschnelle 100 Liter Wasser auf und wiegt 700 kg, die an meinen Schultern ziehen. Das ist wunderschön. Ich liebe es, wenn es für Schwere ersichtliche Gründe gibt. Aber eigentlich ist gerade gar nicht so viel Schwere in mir. Ich fühle mich, als hätte ich ein bisschen Kontrolle. Als hätte ich nicht nur zwei zueinander passende Topflappen, sondern, als wüsste ich auch, wo sie sind. Aber es gibt ja Alternativen, wenn dem wieder nicht so ist: Handtücher oder Freunde mit gemindertem Schmerzempfinden.Und ich wäre nicht ich, wenn ich nicht erstmal den zweiten, bescheuerten Handschuh suchen würde. Während das Essen ein bisschen über den Garpunkt hinaus köchelt, ich aber die Gewissheit habe, dass ich den Handschuh wirklich nicht finde und schlechte Laune bekomme. Immerhin sehe ich dabei lustig aus, denn wegen meines nicht getragenen Hutes sind meine nass gewordenen Haare ein rein undefinierter Lockenunfall in einen Knoten gebunden, den ich gerne als Dutt bezeichnen können würde. Aber so bin ich eben. Mit ner Schwäche für Schwere, Freude am Autofahren im Regen und mit der Fähigkeit, mich mehr für andere zu freuen, als ich es für mich je könnte. Tine hat das Autorenbild für Janas Buch „Minusgefühle“ geschossen und es ist einfach so großartig. SO GROßARTIG.Ja, und manchmal übertreibe ich es mit Sentimentalitäten. Und auf meinem Tomte Mixtape kommt gleich nach „Das war ich“ „Sie lachen zurecht und wir lachen auch“. Und wenn das irgendetwas über mich aussagt, komme ich damit klar.