schön genug, um schön zu sein

Ich habe neulich Fotos von mir angesehen. Alte Fotos. Entstanden zwischen 2008 und 2010. In dieser Zeit war ich 17, 18 bzw. 19 Jahre alt. Jung und schön. Ich war jung und ich war schön und ich habe beides nicht richtig gesehen. Aber am wenigstens habe ich gesehen, wie ich aussah. Solange ich denken kann, habe ich Makel an mir gefunden. Kleinere, größere. Welche die wirklich da – aber gar nicht so schlimm – waren und welche, die es nur in meinem Kopf gab. Dieses Gefühl nicht schön zu sein war immer da. Immer. Egal ob im Vergleich mit anderen oder gemessen an dem, was ich meinte, sein zu wollen. Das Idealbild von mir, welches ich dachte, nie erreichen zu können und heute sehe ich, dass es doch da war. Ich war schön. Und hätte ich das bloß ein einziges Mal gesehen, hätte alles anders sein können. Doch es war so, dass ich mich beleidigt fühlte, wenn mir jemand ein Kompliment machte, weil ich der Überzeugung war, dass diese Person mich damit verarschen wollte. Oder aber ich habe es einfach als nette Lüge abgetan, wenn jemand, dem ich vertraute, etwas positives sagte. Ich fiel mir leichter, mir nahen Menschen zu unterstellen, dass sie lügen, als mich wahrzunehmen, wie ich war. Diese Fotos von damals habe ich nicht das erste Mal angesehen. In regelmäßigen Abständen stolpere ich – absichtlich oder auch nicht – darüber. Bisher dachte ich dann immer: Eigentlich sahst du echt gut aus, du würdest heute gerne so aussehen wie da, doof, dass du das in dem Moment nicht sehen konntest. Aber jetzt fühle ich mich anders mit den Bildern. Es tut mir leid für mich. Es tut mir leid für mich, diese Zeit nicht genutzt zu haben. Für Freibadbesuche, zum Aufhübschen für Partys und für Dates. Es hätte alles anders sein können. Was habe ich durchgemacht, dass in meinem Leben dafür kein Platz war? Sorgen um Geld, Fragen nach einer Zukunft (ohne Ausbildung?) und Gedanken über verschiedene Krankheiten. Wahrscheinlich war es gar nicht möglich, mich wahrzunehmen. Ich bin jetzt 25 und ich identifiziere mich das erste Mal wirklich mit mir. Ich nehme mich als Person wahr und ich nehme mich als diese Person an. Und mit den Fotos im Kopf will ich nicht warten bis ich mit 30 auf Aufnahmen von heute angucke und mir wieder leid tue. Was ich übrigens nicht im Sinne von Selbstmitleid in einer negativ behafteten Form meine, sondern als Aussöhnung mit mir. Als Schritt auf mich zu, als Versuch, für mich selbst stark zu sein, mir selbst zu helfen, mich selbst zu lieben. Abgesehen davon, dass es im Alltag so viel weniger wichtig ist, wie schön jemand von außen ist, als ich immer denke, ist es für mich durchaus drin, im Club der Schönen mitzumischen. Ich möchte sagen: „Zumindest ein bisschen.“ Und ich möchte sagen: „Ja, sorry, ich weiß, stimmt nicht.“ Das möchte ich sagen, weil es sich für mich so komisch, so ungewohnt und unwohl anfühlt, so eine Aussage zu treffen. Aber warum sollte ich es nicht tun? Ich habe über Jahre eine Taktik entwickelt und verfolgt, mit der ich schön auf einer Skala für unschöne Menschen sein wollte. Ich habe mir immer den letzten Schliff gespart. Das fehlende Accessoire nicht angezogen, die Haare nicht fertig frisiert oder meine verlaufene Schminke nicht korrigiert. Nicht, weil es mir nicht aufgefallen ist. Sondern weil ich mich einerseits nicht getraut habe, in der Öffentlichkeit an mir rumzuzupfen, weil ich dachte, dies nicht wert zu sein/mich damit lächerlich zu machen. Andererseits weil ich dachte, dass die Menschen dann so etwas denken würden wie: Die könnte sicherlich schön sein, wenn sie was aus sich machen würde. Ich wollte sie austricksen mit diesem Gedanken, sie sollten nicht wissen, dass ich niemals besser aussehen könnte, dass dies der Gipfel meiner unschönen Schönheit war. Ich bin mir gerade selbst nicht sicher, ob sich diese Gedanken nicht eigentlich widersprechen. Ich möchte das ändern. Das Denken über Schönheit und das Gefühl zu mir selbst.

Ich bin ab heute schön genug, um mich schön zu machen. Außerdem ist äußere Schönheit egal genug, um komplett unwichtig zu sein, wenn es um Brötchen holen gehen oder gute Gespräche führen geht. Für letzteres habe ich was ganz anderes zu bieten: Innere Schönheit. (Alter, dieses Selbstgeliebe geht mit mir durch, ich fühle mich sehr seltsam damit.) Aber wenn ich aus etwas schöpfen kann, dann aus meinem Ich, meiner Seele, meinem Herzen und meiner Lust auf Kuchenbacken.

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